Information vom Bundesinnenministerium der Bundesrepublik Deutschland vom 15.03.2022
Es geht um die Umsetzung des Durchführungsbeschlusses des Rates zur Feststellung des Bestehens eines Massenzustroms im Sinne des Artikels 5 der Richtlinie 2001/55/EG und zur Einführung eines
vorübergehenden Schutzes. Der nachfolgende Text ist lang, enthält jedoch die offiziellen Informationen, auf die sich berufen werden kann gegenüber den Behörden! Es werden Aussagen getroffen, die
wichtig sind (fett markiert). Deutschland ist ein bürokratisches Land, aber die Hinweise sind sinnvoll und gut. Ich lasse alle Verweise auf Paragrafen und Gesetze bewusst im Text.
Hintergrund:
Mit dem Inkrafttreten des Durchführungsbeschlusses (EU) 2022/382 des Rates vom 4. März 2022 zur Feststellung des Bestehens eines Massenzustroms von Vertriebenen aus der Ukraine im Sinne des
Artikels 5 der Richtlinie 2001/55/EG und zur Einführung eines vorübergehenden Schutzes (ABl. L 71 vom 4. März 2022, S. 1 – nachfolgend „Durchführungsbeschluss“) wird für Vertriebene aus der
Ukraine § 24 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) zur Anwendung kommen.
SIE STELLEN KEINEN ASYLANTRAG! Das ist ganz wichtig. Unter 8. ist das richtige Verwaltungsverfahren ausführlich dargestellt, inklusive Leistungsansprüchen und
Arbeitserlaubnis.
Zu den Regelungen:
1. Anspruchsberechtigte Personen nach Artikel 2 Absatz 1 des Durchführungsbeschlusses
Nach Artikel 2 Absatz 1 des Durchführungsbeschlusses gilt der vorübergehende Schutz für folgende Personen:
a) ukrainische Staatsangehörige, die vor dem 24. Februar 2022 ihren Aufenthalt in der Ukraine hatten,
b) Staatenlose und Staatsangehörige anderer Drittländer als der Ukraine, die vor dem 24. Februar 2022 in der Ukraine internationalen Schutz oder einen gleichwertigen nationalen Schutz
genossen haben, und
c) Familienangehörige der unter den Buchstaben a und b genannten Personen.
Die genannten Personen sind dann schutzberechtigt, wenn sie am oder nach dem 24. Februar 2022 infolge der militärischen Invasion der russischen Streitkräfte, die an diesem Tag begann, aus der
Ukraine vertrieben wurden (siehe hierzu auch unter Ziffer 5.). Soweit keine offensichtlich an derweitigen Anhaltspunkte vorliegen, ist bei allen in den Buchstaben a bis c genannten Personen ohne
weitere Prüfung von einer Vertreibung auszugehen.
Freizügigkeitsberechtigte Personen im Sinne des Freizügigkeitsgesetzes/EU sind von der Schutzgewährung nicht umfasst, sofern und solange sie ihr Freizügigkeitsrecht ausüben.
Zu 1. a)
Der Nachweis der ukrainischen Staatsangehörigkeit sollte in der Mehrzahl der Fälle mittels eines Passes (mit oder ohne biometrische Merkmale) oder
Passersatzes erfolgen können. Im Übrigen kann sich aus der Gesamtschau anderer mitgeführter Unterlagen, insbesondere von Personalaus weisen, die Staatsangehörigkeit der betreffenden
Person ergeben.
Zu 1. b)
Gemeint ist der Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention oder ein mit dem subsidiären Schutz vergleichbarer Schutz sowie ein gleichwertiger nationaler Schutz. Die Vorlage eines ukrai nischen
Reiseausweises für Flüchtlinge oder Reisedokument über den komplementären Schutz („Travel Document for Person Granted Complementary Protection“) gilt als ausreichender Nach weis des Schutzstatus.
Sobald Angaben über weitere Nachweismöglichkeiten vorliegen, werden diese mitgeteilt.
Zu 1. c)
Als Familienangehörige gelten folgende Personen, sofern die Familie zum Zeitpunkt der den vo rübergehenden Schutz auslösenden Umstände bereits in der Ukraine bestand:
(1) der Ehegatte einer unter Buchstabe a oder b genannten Person oder ihr nicht verheirateter Partner, der mit dieser Person in einer dauerhaften Beziehung lebt;
(2) die minderjährigen ledigen Kinder einer unter Buchstabe a oder b genannten Person oder ihres Ehepartners, gleichgültig, ob es sich um ehelich oder außerehelich geborene oder adoptierte Kinder
handelt;
(3) andere enge Verwandte, die zum Zeitpunkt der den Massenzustrom auslösenden Umstände innerhalb des Familienverbands lebten und vollständig oder größtenteils von einer unter Buchstabe a oder b
genannten Person abhängig waren.
Diese unter Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe c genannten Familienangehörigen erhalten eine Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG aus eigener Berechtigung aufgrund des Durchführungsbeschlusses; es
handelt sich um keinen Fall der Familienzusammenführung. Eine Familienzusammenführung zu Titelinhabern nach § 24 AufenthG erfolgt nach § 29 Absatz 4 AufenthG (siehe hierzu auch unter Ziffer 6.).
Zu 1.c (1):
Die Eigenschaft als Ehegatte ergibt sich aus den aufenthaltsrechtlichen Vorschriften des Bundes rechts, die bereits an einheitliche unionsrechtliche Vorgaben angepasst sind und die Richtlinie
2003/86/EG (sogenannte Familienzusammenführungsrichtlinie) umsetzen. Auch hier gelten da her die Grundsätze des § 30 Absatz 4 AufenthG.
Nicht verheiratete Partner (auch gleichgeschlechtlich), die in einer dauerhaften Beziehung leben, sind Lebensgefährtinnen oder Lebensgefährten im Sinne des § 1 Absatz 2 Nummer 4 Buchstabe c des
Freizügigkeitsgesetzes/EU. Zur Definition des Personenkreises vergleiche Nummer 3.1.5.3 der Anwendungshinweise des BMI zur Umsetzung des Gesetzes zur aktuellen Anpassung des
Freizügigkeitsgesetzes/EU und anderer Gesetze an das Unionsrecht in der Version 1.0 vom 22. Ja nuar 2021, die unter nachfolgendem Link abrufbar sind:
https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/themen/verfas sung/anwendungshinweise-umsetzung-freizuegigkeitsgesetz.html
Ein beabsichtigtes weiteres dauerhaftes Zusammenleben nach der Ankunft im Bundesgebiet ist auf Grund der Eigenheiten der Vertreibungssituation widerleglich zu vermuten, wobei im Rahmen einer
Einzelfallbetrachtung den Besonderheiten der Unterbringung in Folge der Flucht angemessen Rechnung zu tragen ist. Nachvollziehbar vertreibungsbedingte Nachweislücken sind bei einem
schlüssigen Sachvortrag zugunsten der Betroffenen zu berücksichtigen.
Zu 1. c (2): Der betroffene Personenkreis ergibt sich ebenfalls aus den allgemeinen aufenthaltsrechtlichen Vorschriften des Bundesrechts.
Zu 1. c (3):
„Enge Verwandte“ müssen
- zum Zeitpunkt der den vorübergehenden Schutz auslösenden Umstände – somit am 24. Februar 2022 - innerhalb des Familienverbands gelebt haben und
- zu diesem Zeitpunkt von einer in den vorstehenden Buchstaben a oder b genannten Person vollständig oder größtenteils abhängig gewesen sein.
Eine kurzfristige Abwesenheit vom Familienverband zum Stichtag (etwa wegen eines Urlaubs oder aus anderen persönlichen oder beruflichen Gründen) ist unschädlich, solange die Familie grundsätzlich
zum Stichtag im Familienverband gelebt hat. Die erforderliche Abhängigkeit kann finanzieller oder tatsächlicher Natur sein. In Anlehnung an die Maßgaben im Rahmen der Anwendung des FreizügG/EU,
sollte hier ausreichend sein:
- die nicht nur vorübergehende Unterhaltsgewährung am 24. Februar 2022 oder kurz da vor, oder
- die persönliche Pflege durch die in den vorstehenden Buchstaben a) oder b) genannte Person (nachstehend als „Bezugsperson“ bezeichnet). Von einer persönlichen Pflege sind insbesondere solche
Umstände erfasst, in denen die Bezugsperson die gepflegte Person aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen physischer oder psychischer Art häuslich umsorgt. Dabei ist nicht die vollumfängliche
persönliche Pflege durch die Bezugsperson erforderlich. Ausreichend ist, dass die Pflege organisiert oder die Kosten hierfür über nommen wurden, wenn ein Grund hinzutritt, weshalb die Pflege in
der Nähe der Bezugs person stattfinden soll, insbesondere wegen des psychischen Erfordernisses seiner Nähe zur gepflegten Person.
„Enge Verwandte“ in diesem Sinne werden daher in der Regel auch Kinder sein, die am Stichtag noch minderjährig waren, jedoch zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits die Volljährigkeit er reicht
haben.
2. Anspruchsberechtigte Personen nach Artikel 2 Absatz 2 des Durchführungsbeschlusses
Nach Artikel 2 Absatz 2 des Durchführungsbeschlusses sind auch Staatenlose und Staatsangehörige anderer Drittländer als der Ukraine anspruchsberechtigt, die nachweisen können, dass sie sich vor
dem 24. Februar 2022 auf der Grundlage eines nach ukrainischem Recht erteilten gültigen unbefristeten Aufenthaltstitels rechtmäßig in der Ukraine aufgehalten haben, und die nicht in der Lage
sind, sicher und dauerhaft in ihr Herkunftsland oder ihre Herkunftsregion zurückzu kehren.
Diese nicht-ukrainischen Drittstaatsangehörigen können einen rechtmäßigen unbefristeten Aufenthalt in der Ukraine mittels eines ukrainischen Aufenthaltstitels nachweisen. Als den unbefristeten
Aufenthalt gewährende Aufenthaltstitel sind Aufenthaltstitel anzusehen, die den als Anlage beigefügten Mustern entsprechen.
Nicht-ukrainische Drittstaatsangehörige oder Staatenlose, die sich rechtmäßig in der Ukraine aufhalten oder aufgehalten haben, können jedenfalls dann nicht sicher und dauerhaft in ihr
Herkunftsland oder ihre Herkunftsregion zurückkehren, wenn ihnen in dem Fall, dass ihnen in Deutschland weder der vorübergehende Schutz gewährt noch ein anderer Aufenthaltstitel erteilt würde,
eine Duldung nach §§ 60 oder 60a AufenthG zu erteilen wäre (nicht: Ausbildungs- oder Beschäftigungsduldung). Zur entsprechenden Definition des Merkmals, wonach eine Person nicht in der Lage ist,
sicher und dauerhaft zurückzukehren, folgt gegebenenfalls eine darüber hinausgehende weitere Klarstellung.
Der Durchführungsbeschluss stellt es den Mitgliedstaaten frei, wie sie den Personen nach Artikel 2 Absatz 2 des Durchführungsbeschlusses Schutz gewähren; dazu, ob überhaupt Schutz ge währt wird,
besteht hingegen kein Ermessen der Mitgliedstaaten. Grundlage der Schutzgewährung ist hier ebenfalls § 24 AufenthG.
3. Sonstige nicht-ukrainische Drittstaatsangehörige nach Artikel 2 Absatz 3 des Durchführungsbeschlusses
Die Mitgliedstaaten können sonstigen Staatenlosen und nicht-ukrainischen Staatsangehörigen, die sich rechtmäßig in der Ukraine aufhielten und nicht sicher und dauerhaft in ihr Herkunftsland oder
ihre Herkunftsregion zurückkehren können, ebenfalls Schutz gewähren. Deutschland setzt diese Vorgabe in der folgenden Weise um:
Vorübergehenden Schutz nach § 24 AufenthG erhalten nicht-ukrainische Drittstaatsangehörige, wenn diese sich am 24. Februar 2022 nachweislich rechtmäßig, und nicht nur zu einem vorüber gehenden
Kurzaufenthalt, in der Ukraine aufgehalten haben und die nicht sicher und dauerhaft in ihr Herkunftsland oder ihre Herkunftsregion zurückkehren können. Vorübergehender Kurzaufenthalt ist jeder
von vornherein 90 Tage nicht überschreitende Aufenthalt in der Ukraine zu einem dementsprechend vorübergehenden Zweck. Erfasst sind damit auch Personen, die glaubhaft machen können, dass sie sich
zu einem nicht nur vorübergehenden Aufenthalt rechtmäßig in der UKR aufgehalten haben, aber ihren Schutzstatus oder dauerhaften Aufenthaltstitel zum 24. Februar 2022 noch nicht erlangen konnten
und die nicht dauerhaft sicher in ihr Herkunftsland zurückkehren können.
Die zuvor genannten nicht-ukrainischen Drittstaatsangehörigen, können einen rechtmäßigen nicht nur vorübergehenden Aufenthalt in der Ukraine mittels eines ukrainischen Aufenthaltstitels
nachweisen. Umfasst sind insbesondere Studierende und Personen mit Aufenthalten in der Ukraine zu nicht nur besuchsartigen oder kurzfristigen Erwerbszwecken.
Keinen vorübergehenden Schutz nach § 24 AufenthG erhalten nach den folgenden – alternativen – Kriterien insbesondere die folgenden Personen, es sei denn, sie fallen unter Nummer 1:
- Personen, die keinen Nachweis erbringen können, sich am 24. Februar 2022 rechtmäßig in der Ukraine aufgehalten zu haben;
- Personen, die sich am 24. Februar 2022 entsprechend der vorstehenden Definition lediglich zu einem Kurzaufenthalt in der Ukraine aufgehalten haben (Touristen, Geschäftsreisende, Besucher und
ähnliche Aufenthalte);
- Personen, die nach den unter Nr. 2 3. Absatz genannten Voraussetzungen sicher und dauer haft in ihr Herkunftsland oder ihre Herkunftsregion zurückkehren können oder
- Personen, die staatenlos sind. Personen, die staatenlos sind und keinen vorübergehenden Schutz nach § 24 AufenthG erhalten, sind über alternative aufenthaltsrechtliche Möglichkeiten sowie ihr
Recht, einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, hinzuweisen.
4. Sonstige ukrainische Staatsangehörige nach Artikel 2 Absatz 3 des Durchführungsbeschlusses
Ukrainische Staatsangehörige, die sich bereits mit einem Aufenthaltstitel im Bundesgebiet aufhalten, können einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG stellen.
Dies betrifft Fälle, in denen
- die Verlängerung des bestehenden Aufenthaltstitels aufgrund rechtlicher Vorgaben oder nicht mehr gegebener Erteilungsvoraussetzungen nicht möglich ist oder
- während der zeitlichen Gültigkeit des Aufenthaltstitels der Erteilungsgrund entfallen ist und dessen nachträgliche Befristung in Betracht zu ziehen wäre.
Für die Prüfung der Voraussetzungen einer Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG ist dabei in Abweichung von Nr. 5 unbeachtlich, wann die Einreise in das Bundesgebiet erfolgt ist.
5. Zeitpunkt der Einreise in das Bundesgebiet
Hierzu sieht § 24 AufenthG keine Beschränkung vor. Die Einreise kann jederzeit nach dem 24. Februar erfolgt sein oder erfolgen. Zudem wird der vorübergehende Schutz auf Personen ausgedehnt, die
nicht lange vor dem 24. Februar 2022, als die Spannungen zunahmen, aus der Ukraine geflohen sind oder die sich kurz vor diesem Zeitpunkt (z. B. im Urlaub oder zur Arbeit) im Gebiet der EU
befunden haben und die infolge des bewaffneten Konflikts nicht in die Ukraine zurück kehren können.
6. Familiennachzug und mitgliedstaatenübergreifende Familienzusammenführung
Sofern Familienmitgliedern ein eigener Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Auf enthG zusteht (siehe oben unter 1.), sind die Familiennachzugsvorschriften nicht anzuwenden.
Der Familiennachzug zum Titelinhaber nach § 24 AufenthG erfolgt gemäß § 29 Absatz 4 Auf enthG für Ehegatten und minderjährige ledige Kinder oder minderjährige ledige Kinder des Ehegatten, wenn:
- die familiäre Lebensgemeinschaft im Herkunftsland durch die Fluchtsituation aufgehoben wurde (siehe § 29 Absatz 4 Nummer 1 AufenthG) und
- entweder -
o die Familienangehörigen des Titelinhabers sich in einem anderen Mitgliedstaat aufhalten und übernommen werden sollen (§ 29 Absatz 4 Nummer 2, 1. Alternative AufenthG), oder
o die Familienangehörigen des Titelinhabers sich außerhalb des Unionsgebiets auf halten und schutzbedürftig sind (§ 29 Absatz 4 Nummer 2, 2. Alternative AufenthG).
Die „Schutzbedürftigkeit“ sollte sich vorliegend im Lichte des Erwägungsgrundes 14 des Durchführungsbeschlusses ergeben: Sie ist gegeben, wenn diese Personen aus den gleichen Gründen vertrieben
wurden und wie die Titelinhaber nach § 24 AufenthG (unabhängig von der Staatsangehörigkeit) aus der Ukraine kommen.
In jeder der genannten Alternativen ist gemäß § 29 Absatz 4 Satz 1 AufenthG auf die Voraussetzungen des § 5 Absatz 1 und § 27 Absatz 3 AufenthG zu verzichten.
Zur Antragstellung und -prüfung von Nachzugsgesuchen aus anderen Mitgliedstaaten wird gesondert informiert.
Der Nachzug sonstiger Familienangehöriger eines Titelinhabers nach § 24 Absatz 1 AufenthG richtet sich gemäß § 29 Absatz 4 Satz 2 AufenthG nach § 36 Absatz 2 AufenthG.
Auf die Familienangehörigen, die gemäß § 29 Absatz 4 AufenthG aufgenommen wurden, findet ebenfalls § 24 AufenthG Anwendung (siehe § 29 Absatz 4 Satz 3 AufenthG). D.h. sie erhalten ebenfalls eine
Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG.
Da die hiernach Berechtigten selbst bereits im Wege des Nachzugs einen Aufenthaltstitel erhalten haben, können weitere Personen, die ebenfalls die Voraussetzungen des § 29 Absatz 4 Auf enthG
erfüllen würden, nicht im Wege der Familienzusammenführung zu jenen Personen nach ziehen, denn auch hier gilt der Grundsatz des § 30 Absatz 4 AufenthG. Klarstellend wird ergänzt, dass auch der
Grundsatz der Akzessorietät aus § 27 Absatz 4 AufenthG, sowie § 27 Absatz 2 Auf enthG gelten.
7. Ausschluss vorübergehenden Schutzes
Die Gewährung vorübergehenden Schutzes ist nach § 24 Absatz 2 AufenthG – in Umsetzung von Artikel 28 der Richtlinie - ausgeschlossen, wenn die Voraussetzungen des § 3 Absatz 2 des Asylgesetzes
(AsylG) oder des § 60 Absatz 8 Satz 1 AufenthG vorliegen. In diesen Fällen ist die Aufenthaltserlaubnis zu versagen. Erforderlich ist jeweils ein persönliches Verwirklichen der Ausschlussgründe,
allein generalpräventive Erwägungen führen nicht zum Ausschluss.
8. Verwaltungsverfahren
8.1. Antrag und Registrierung:
Nach § 24 Absatz 1 AufenthG muss der Ausländer seine Bereitschaft erklären, im Bundesgebiet aufgenommen zu werden. Somit ist ein Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach § 81 Absatz 1 AufenthG zu
stellen. Die Möglichkeit einer vereinfachten Antragstellung sollte durch die Ausländerbehörden ermöglicht werden.
Der Antrag ist bei der örtlich zuständigen Ausländerbehörde zu stellen. Dies ist die Ausländerbehörde des Wohnortes; besteht noch kein fester Wohnort, ist
dies die Ausländerbehörde des Aufenthaltsorts.
Erfolgt (zunächst) keine Antragstellung bei der Ausländerbehörde, wird auch mit einer sonstigen Bitte um Unterstützung (Unterkunft, Verpflegung, medizinische
Versorgung) zugleich ein Schutzbegehren geäußert. Es besteht eine Leistungsberechtigung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG); entweder nach Äußerung eines Schutzgesuchs
entsprechend § 1 Absatz 1 Nummer 1a AsylbLG oder nach Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 Auf enthG entsprechend § 1 Absatz 1 Nummer 3a AsylbLG. Personen, die das Schutzersuchen o der den
Antrag stellen, sind, soweit noch nicht geschehen, im sogenannten Workflow nach § 16 AsylG erkennungsdienstlich zu behandeln (Rechtsgrundlage: § 49 Absatz 5 Nummer 6 AufenthG).
Die Einholung eines nationalen Visums vor der Einreise ist zunächst bis zum 23. Mai 2022 nicht erforderlich nach § 3 UkraineAufenthÜV (BAnz AT 08.03.2022 V1).
Es wird gem. § 91a AufenthG ein Register für Ausländer eingerichtet, die aufgrund des vorliegenden Durchführungsbeschlusses gemäß § 24 AufenthG aufgenommen werden sollen, wo bei die Daten
automatisch über die Asyl-Online-Schnittstelle bei der Registrierung erfasst werden.
Beim BAMF als Registerbehörde werden die in Absatz 2 des § 91a AufenthG aufgeführten Daten nach Übermittlung durch die Ausländerbehörden gespeichert. Die Weitergabe der Daten an andere Stellen
ist an Verwendungszwecken orientiert in § 91a Absatz 5 AufenthG geregelt. Die Löschung der Daten erfolgt spätestens zwei Jahre nach Beendigung des vorübergehenden Schutzes. Der Umfang der zu
speichernden Daten geht über die Richtlinien-Vorgabe hinaus, was die Angaben zu Beruf und berufliche Bildung angeht. Diese Daten werden zur Sicherstellung der Ausübung einer selbstständigen
Tätigkeit erhoben (§ 24 Absatz 6 AufenthG). Die Speicherung der Religionszugehörigkeit darf nur auf Einwilligungsbasis (§ 4a BDSG) erfolgen.
8.2. Aufenthaltstitelwahl und Wechsel des Aufenthaltsstatus:
Weder die Richtlinie noch § 24 AufenthG trifft eine Regelung, die es ausschließt, bei Erfüllung der jeweiligen Voraussetzungen einen anderen Aufenthaltstitel als denjenigen nach § 24 AufenthG zu
beantragen. Auf Wahlmöglichkeiten oder parallel bestehende verschiedene Aufenthaltsrechte finden damit die allgemeinen aufenthaltsrechtlichen Grundsätze Anwendung.
In Betracht kommen hierzu insbesondere Aufenthaltserlaubnisse nach den §§ 16a, 18a und 18b AufenthG.
Auch nach Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 AufenthG bestehen keine Beschränkungen zum Wechsel in einen anderen Aufenthaltsstatus, wenn die allgemeinen Voraussetzungen zur Erteilung
erfüllt sind.
8.3. Art und Gültigkeitsdauer des Aufenthaltstitels; Fiktionsbescheinigung; Reiseausweis für Ausländer; Ausweisersatz:
Der Aufenthaltstitel ist grundsätzlich als eigenständiges Dokument mit elektronischem Speicher- und Verarbeitungsmedium (Karte im eAT-Format) zu erteilen. Von der Erhebung von Gebühren bei
Beantragung eines eAT ist abzusehen. :-)
Wohnsitzauflagen auf Grund bereits ergangener Zuweisungsentscheidungen sind nicht in der eAT-Karte zu vermerken, damit bei einem Wechsel oder einer Aufhebung der Zuweisung (etwa nach Finden eines
Arbeits-, Ausbildungs- oder Studienplatzes) nicht eine neue eAT Karte bestellt werden muss. Sie sind entweder in einem Zusatzblatt oder durch gesondertes Schreiben zu verfügen.
Die Gültigkeit ist rückwirkend vom glaubhaft gemachten Zeitpunkt der Einreise in das Bundesgebiet, frühestens 4. März 2022, bis zum 4. März 2024 vorzusehen. Sie soll damit den Zeitraum
berücksichtigen, der nach Erwägungsgrund 21 des Durchführungsbeschlusses auch die automatischen zweimaligen Verlängerungen um jeweils sechs Monate umfasst.
Bis zur Ausgabe des Aufenthaltstitels im eAT-Format ist gebührenfrei eine Fiktionsbescheinigung nach § 81 Absatz 3 Satz 1 in Verbindung mit Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes auszustellen;
der Aufenthalt ist nach § 2 der UkraineAufenthÜV (BAnz AT 08.03.2022 V1) bereits bis zum 23. Mai 2022 rechtmäßig. Die Ausgabe einer Fiktionsbescheinigung ist für verschiedene Zwecke außerhalb des
Aufenthaltsrecht bedeutsam: Vor allem ist analog § 81 Absatz 5a AufenthG die Fiktionsbescheinigung mit dem Vermerk „Erwerbstätigkeit erlaubt“ zu versehen, so dass ihre Ausgabe bewirkt, dass der
Inhaber bereits eine Erwerbstätigkeit aufnehmen kann (siehe 8.5 Arbeitsmarktzugang) oder – bei Vorliegen der übrigen gesetzlichen Voraussetzungen – Familienleistungen (beispielsweise Kindergeld)
zu gewähren sind. Um bereits die zeitnahe Teilnahme am Integrationskurs zu ermöglichen, sollte in der Fiktionsbescheinigung ebenfalls ein Hinweis auf die Titelerteilung nach § 24 AufenthG
enthalten sein.
Nach aktuellem Kenntnisstand werden abgelaufene ukrainische Reisepässe handschriftlich verlängert und Informationen von Kindern über 16 Jahren handschriftlich eingetragen und die Fotos der Kinder
den Pässen der Eltern hinzugefügt. Handschriftliche Ergänzungen / Verlängerungen mit konsularischem Siegel / Stempel werden bis auf Weiteres akzeptiert. Ferner stellen die ukrainischen
Auslandsvertretungen Bescheinigungen im Sinne einer Identitätsklärung mit Lichtbild aus.
Für Personen, die keinen gültigen und anerkannten Pass oder Passersatz besitzen, gilt Folgendes:
Personen, die über eine entsprechende Bescheinigung im Sinne einer Identitätsklärung verfügen und deren Identität geklärt ist, soll ein Reiseausweis für Ausländer mit einer entsprechenden
Laufzeit des Aufenthaltstitels erteilt werden.
Verfügen die Antragsteller nicht über eine entsprechende Bescheinigung, ist aber die Identität einschließlich der ukrainischen Staatsangehörigkeit geklärt, kann ebenfalls ein Reiseausweis für
Ausländer mit einer Laufzeit entsprechend dem Aufenthaltstitel ausgestellt werden. Die Identität der Betroffenen ist sorgfältig zu prüfen. Die Personen sind darauf hinzuweisen, im eigenen
Interesse sowie im Sinne von Rechtsangelegenheiten der Ukraine, zu Identitätszwecken eine solche Bescheinigung zu erlangen.
Staatsangehörige anderer Drittstaaten, die keinen gültigen und anerkannten Pass oder Passersatz besitzen, sind zunächst im Rahmen der Zumutbarkeit auf ihre Auslandsvertretungen in der
Bundesrepublik Deutschland zu verweisen.
Mit einer neuen oder geänderten Zuweisungsentscheidung wechselt die örtliche Zuständigkeit der Ausländerbehörde. Dasselbe gilt für einen sonstigen Wohnsitzwechsel. Die bisher zu ständige
Ausländerbehörde hat sicherzustellen, dass ihr sowohl die neue Ausländerbehörde als auch die neue Anschrift der betroffenen Person bekannt ist. Den Ländern wird anheimge stellt, eine zentrale
Zuständigkeit für die länderübergreifende Kommunikation zu bestim men. Bereits von der bisher zuständigen Ausländerbehörde beantragte eAT, die als ausstel lende Behörde die bisher zuständige
Ausländerbehörde ausweisen, können auch dann unver ändert ausgegeben werden, wenn zwischen der Veranlassung der Herstellung des eAT und der Ausgabe die Zuständigkeit wechselt. Die Ausgabe ist
über die neu zuständige Ausländer behörde zu bewirken. Eine Weiterversendung an die neu zuständige Ausländerbehörde, so fern erforderlich, ist beschleunigt zu veranlassen.
Analog zu der Regelung in § 12a AufenthG sollte eine Wohnsitzauflage nach § 24 Absatz 5 Satz 2 AufenthG, die gegenüber betroffenen Personen ausgesprochen worden ist, aufgehoben werden,
- wenn die betroffene Person, ihr Ehegatte, ihr eingetragener Lebenspartner, oder ein minderjähriges lediges Kind, mit dem sie verwandt ist und in familiärer Lebensgemeinschaft lebt, eine
sozialversicherungspflichtige Beschäftigung mit einem Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich aufnimmt oder aufgenommen hat, durch die die jeweilige Person mindestens über ein Einkommen in
Höhe des monatlichen durchschnittlichen Bedarfs nach den §§ 20 und 22 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch für eine Einzelperson verfügt, oder eine Berufsausbildung aufnimmt oder aufgenommen hat
oder in einem Studien- oder Ausbildungsverhältnis steht (analog § 12a Absatz 1 AufenthG); oder
- wenn die betroffene Person nachweist, dass an einem anderen Ort
o ihr oder ihrem Ehegatten, eingetragenen Lebenspartner oder einem minderjährigen ledigen Kind, mit dem sie verwandt ist und in familiärer Lebensgemeinschaft lebt, eine
sozialversicherungspflichtige Beschäftigung im vorstehend genannten Sinne, ein den Lebensunterhalt sicherndes Einkommen oder ein Ausbildungs- oder Studienplatz zur Verfügung steht oder
o der Ehegatte, eingetragene Lebenspartner oder ein minderjähriges lediges Kind, mit dem die betroffene Person verwandt ist und mit dem sie zuvor in familiärer Lebensgemeinschaft gelebt hat,
leben, oder
- zur Vermeidung einer Härte; eine Härte liegt insbesondere vor, wenn nach Einschätzung des zuständigen Jugendamtes Leistungen und Maßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe nach dem Achten Buch
Sozialgesetzbuch mit Ortsbezug beeinträchtigt würden, aus anderen dringenden persönlichen Gründen die Übernahme durch ein anderes Land oder einen anderen Mitgliedstaat zugesagt wurde oder für den
Betroffenen aus sonstigen Grün den vergleichbare unzumutbare Einschränkungen entstehen (analog § 12a Absatz 5 Auf enthG).
Fallen die jeweiligen Gründe innerhalb von drei Monaten ab Bekanntgabe der Aufhebung der Wohnsitzauflage weg, kann sie für den Bereich, in den die betroffene Person ihren Wohnsitz verlegt hat,
wieder ausgesprochen werden.
8.4. Belehrung
Nach Artikel 9 der Richtlinie 2001/55/EG und § 24 Absatz 7 AufenthG sind Ausländer, die vorübergehenden Schutz genießen, über bedeutsame Bestimmungen sowie über die
Rechte und Pflichten zu informieren.
8.5. Arbeitsmarktzugang
§ 31 BeschV bestimmt, dass für die Aufnahme einer Beschäftigung die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit nicht erforderlich ist, wenn dem Ausländer ein
Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes – zu dem § 24 AufenthG zählt - erteilt wurde oder wird. Da die Richtlinie den Mitgliedstaaten nicht die Möglichkeit einräumt,
bei Erteilung der Beschäftigungserlaubnis aufenthaltsrechtliche Gesichtspunkte heranzuziehen, ist die Beschäftigung auch dann, wenn noch kein konkretes
Beschäftigungsverhältnis in Aussicht steht, zu erlauben. Ein Ermessensspielraum für die Ausländerbehörden besteht mithin nicht.
§ 24 Absatz 6 AufenthG bestimmt zudem, dass die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit nicht ausgeschlossen werden darf.
Damit sind sowohl die Beschäftigung als auch die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit zu erlauben und entsprechend ist der Aufenthaltstitel bei Erteilung
mit dem Eintrag „Erwerbstätigkeit erlaubt“ zu versehen.
Zugang zum Integrationskurs
Die Zulassung zum Integrationskurs ist auf Antrag möglich. Der Antrag auf Zulassung kann über die Träger der Integrationskurse gestellt werden. Diese
beraten gerne und können als erste Ansprechpartner genutzt werden. Sofern zunächst nur eine Fiktionsbescheinigung vorliegt, sollte diese mit einem Hinweis auf die künftige Erteilung eines Titels
auf Grundlage des § 24 AufenthG versehen werden, um die Berechtigung nachzuweisen und eine zeitnahe Kursteilnahme zu ermöglichen.